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Logistik-Glossar

Standzeiten in der Logistik: Herausforderung für Effizienz und Wirtschaftlichkeit

Standzeiten gehören zu den größten Kostentreibern und Effizienzverlusten in der modernen Transportlogistik. Sie bezeichnen alle Zeiträume, in denen Lkw und Fahrer:in unproduktiv warten – sei es bei der Be- und Entladung an der Rampe, durch Verzögerungen an der Ladestelle oder aufgrund unzureichender Zeitfenstersteuerung. Diese Wartezeiten verursachen nicht nur direkte Kosten durch Standgeld und Ausfallzeiten, sondern belasten auch die Einhaltung gesetzlicher Lenk- und Ruhezeiten, gefährden Lieferzusagen und beeinträchtigen die Wirtschaftlichkeit von Transportunternehmen. In einer Branche, in der jede Minute zählt, ist die Reduzierung von Standzeiten ein entscheidender Wettbewerbsfaktor und Schlüssel zur Optimierung der gesamten Lieferkette.

Was sind Standzeiten? Definition und Abgrenzung

Standzeiten umfassen alle Zeiträume, in denen ein Lkw steht, ohne dass produktive Tätigkeiten stattfinden. Im Kern unterscheidet man zwischen geplanten und ungeplanten Standzeiten:

Geplante Standzeiten sind Teil des normalen Betriebsablaufs und umfassen die Entladezeit und Beladungszeit an Rampe oder Ladestelle, gesetzlich vorgeschriebene Lenk- und Ruhezeiten der Berufskraftfahrer:innen sowie geplante Fahrtunterbrechungen für Tagesruhezeit, Wochenruhezeit oder Ruhepausen. Diese Zeiten sind notwendig und müssen eingeplant werden.

Ungeplante Standzeiten entstehen durch Verzögerungen im Prozess und sind der eigentliche Problembereich: Wartezeiten vor der Rampe, weil die Entladestelle noch belegt ist, Verzögerungen durch fehlende Ladelisten oder Dokumente, überlange Lade- oder Entladezeiten durch ineffiziente Prozesse, Staus oder Verkehrsbehinderungen und Wartezeiten aufgrund mangelnder Zeitfenstersteuerung.

Die Abgrenzung zu gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten ist wichtig: Während eine Lenkzeitunterbrechung nach 4,5 Stunden Fahrt (mindestens 45 Minuten) oder die Tagesruhezeit (mindestens 11 Stunden) gesetzlich vorgeschrieben und nicht vermeidbar sind, stellen unnötige Wartezeiten an der Rampe echte Effizienzverluste dar.

Rechtliche Rahmenbedingungen: Lenk- und Ruhezeiten

Die rechtlichen Regelungen zu Lenk- und Ruhezeiten bilden den Rahmen, innerhalb dessen Transportunternehmen operieren müssen. Diese Vorschriften dienen der Verkehrssicherheit im Straßenverkehr und dem Schutz der Kraftfahrer:innen:

Tageslenkzeit: Fahrer:innen dürfen maximal 9 Stunden pro Tag fahren (zweimal pro Woche bis zu 10 Stunden). Diese Lenk-Zeit muss genau dokumentiert werden, üblicherweise über den Fahrtenschreiber und die Fahrerkarte.

Wochenlenkzeit: Innerhalb einer Woche darf die gesamte Lenkzeit 56 Stunden nicht überschreiten. Über zwei aufeinanderfolgende Wochen sind maximal 90 Stunden erlaubt. Ein Verstoß gegen diese Verordnung kann empfindliche Strafen nach sich ziehen.

Lenkzeitunterbrechungen: Nach 4,5 Stunden Fahrt muss eine Pause von mindestens 45 Minuten eingelegt werden (alternativ 15 Minuten, gefolgt von 30 Minuten). Diese Fahrtunterbrechung dient der Erholung und Verkehrssicherheit.

Tagesruhezeit: Nach maximal 6 Fahrzeiten-Stunden innerhalb von 24 Stunden muss eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden folgen (oder dreimal pro Woche verkürzt auf 9 Stunden).

Wochenruhezeit: Nach sechs Arbeitstagen muss eine Wochenruhezeit von mindestens 45 Stunden eingehalten werden.

Diese Regelungen sind im Gesetz und der EU-Verordnung 561/2006 festgeschrieben und gelten für alle Lkws ab 3,5 Tonnen Gesamtmasse. Das Arbeitszeitgesetz ergänzt diese Vorschriften durch zusätzliche Bestimmungen zur Arbeitszeit. Ein Überschreiten dieser Zeiten ist ein Verstoß, der für Fahrer:in, Spediteur:in und Auftraggeber:in Konsequenzen haben kann.

Auswirkungen auf die Praxis

Lange Standzeiten an der Rampe können dazu führen, dass Fahrer:innen ihre gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten nicht mehr einhalten können. Wartet ein Lkw zwei Stunden an der Entladestelle, kann dies bedeuten, dass die Tageslenkzeit nicht mehr ausreicht, um den nächsten Zielort zu erreichen. Die Folge: Weitere Standtage und verzögerte Lieferungen in der Folgewoche.

Ursachen für übermäßige Standzeiten

Die Gründe für problematische Standzeiten sind vielfältig und liegen oft in organisatorischen Mängeln:

Fehlende oder ineffiziente Zeitfenstersteuerung: Wenn Anlieferungen nicht über klare Zeitfenster gesteuert werden, kommt es zu Staus vor der Rampe. Mehrere Lkws treffen gleichzeitig ein und müssen warten. Ein professionelles Zeitfenstermanagement könnte dies verhindern.

Ineffiziente Be- und Entladeprozesse: Lange Entladezeiten durch manuelle Prozesse, fehlende Technik oder schlecht organisierte Abläufe verlängern die Standzeiten unnötig. Während die eigentliche Entladung eines Lkw mit moderner Technik 30 Minuten dauern könnte, vergehen in der Praxis oft mehrere Stunden.

Mangelnde Kommunikation: Fehlt die Abstimmung zwischen Verlader:in, Spediteur:in und Entladestelle, entstehen Wartezeiten. Verspätete Informationen über Verzögerungen oder fehlende Dokumente kosten wertvolle Zeit.

Unzureichende Planung: Komplettladungen werden ohne Berücksichtigung von Entladezeiten, Verkehrslage oder Ruhezeiten geplant. Das Ergebnis: Unrealistische Zeitpläne, die zwangsläufig zu Verzögerungen führen.

Infrastrukturprobleme: Zu wenige Rampen, enge Zufahrten oder fehlende Warteflächen führen dazu, dass Lkws nicht zeitnah entladen werden können, selbst wenn sie pünktlich sind.

Dokumentationspflichten: Komplexe Dokumentationsanforderungen, Zollabfertigungen oder Qualitätskontrollen verlängern die Aufenthaltszeit an der Ladestelle erheblich.

Wirtschaftliche Folgen von Standzeiten

Die Kosten von Standzeiten sind erheblich und betreffen alle Beteiligten in der Lieferkette:

Direkte Kosten durch Standgeld: Transportunternehmen berechnen üblicherweise Standgeld für Wartezeiten, die einen vereinbarten Zeitraum überschreiten. Die Höhe dieser Vergütung liegt je nach Vereinbarung zwischen 30 und 80 Euro pro Stunde. Bei mehreren Stunden Wartezeit pro Tag und Lkw summieren sich diese Beträge über Monate zu erheblichen Summen.

Opportunitätskosten: Jede Stunde, in der ein Lkw unproduktiv an der Rampe steht, könnte er produktiv auf der Straße sein. Diese Ausfallzeiten bedeuten entgangene Umsätze für das Transportunternehmen und reduzieren die Effizienz des Fuhrparks drastisch.

Verzögerte Lieferketten: Standzeiten führen zu verspäteten Anlieferungen beim nächsten Kunden. Diese Kettenreaktion kann ganze Lieferketten durcheinanderbringen und zu Strafzahlungen oder Vertragsstrafen führen.

Zusätzliche Lenk- und Ruhezeiten: Lange Standzeiten können dazu führen, dass Fahrer:innen ihre Lenkzeit überschreiten oder Ruhezeiten einlegen müssen. Eine dreistündige Wartezeit an der Rampe bedeutet für den Fahrer, die Fahrerin, dass er oder sie danach möglicherweise nur noch 2 Stunden fahren kann, bevor die Tageslenkzeit erreicht ist.

Personalkosten: Die Arbeitszeit von Fahrer:innen läuft weiter, auch wenn der Lkw steht. Bei einem durchschnittlichen Stundensatz von 25-35 Euro entstehen schnell hunderte Euro zusätzliche Kosten pro Standtag.

Imageschaden: Ständige Verzögerungen schädigen das Verhältnis zwischen Spediteur:in und Auftraggeber:in und können langfristig zum Verlust von Kund:innen führen.

Rechtlicher Anspruch auf Standgeld

Der Anspruch des Frachtführers auf Standgeld ist gesetzlich geregelt und wurde in mehreren Urteilen präzisiert. Grundsätzlich gilt: Überschreitet die Lade- oder Entladezeit einen angemessenen Zeitraum, hat der Frachtführer Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.

Als angemessene Lade- und Entladezeit gelten üblicherweise:

- Für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen: ca. 30-60 Minuten

- Für Lkws bis 12 Tonnen: ca. 60-90 Minuten 

- Für Lkws über 12 Tonnen Gesamtgewicht: ca. 90-120 Minuten

Die genauen Zeiträume hängen von der Art der Ladung, dem Umfang und den örtlichen Gegebenheiten ab. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs haben Transportunternehmen einen gesetzlichen Anspruch auf Standgeld, wenn diese Zeiten überschritten werden – unabhängig davon, ob dies vertraglich vereinbart wurde.

Die Höhe des Standgelds richtet sich nach den entstandenen Kosten. In der Praxis haben sich Sätze zwischen 30 und 80 Euro pro Stunde etabliert, abhängig von Fahrzeuggröße und Auftrag. Wichtig ist die Dokumentation: Fahrer:innen sollten überlange Wartezeiten auf der Fahrerkarte und in Begleitpapieren festhalten.

Strategien zur Reduzierung von Standzeiten

Die Minimierung von Standzeiten erfordert einen ganzheitlichen Ansatz und die Zusammenarbeit aller Beteiligten:

Professionelles Zeitfenstermanagement: Die Implementierung digitaler Zeitfenstersteuerung ermöglicht es, Anlieferungen gezielt zu steuern. Lkws erhalten feste Zeitslots für Be- und Entladung, Wartezeiten an der Rampe werden vermieden. Moderne Systeme buchen Zeitfenster automatisch und informieren alle Beteiligten in Echtzeit.

Optimierung der Ladeprozesse: Automatisierte Ladetechnik, effiziente Rampenlayouts und geschultes Personal reduzieren Entladezeiten erheblich. Eine gut organisierte Ladestelle kann die Durchlaufzeit pro Lkw halbieren.

Vorausschauende Tourenplanung: Die Planung muss Ladezeiten, gesetzliche Ruhezeiten, Verkehrslage und realistische Pufferzeiten berücksichtigen. Software-Lösungen optimieren Routen unter Einbeziehung all dieser Faktoren.

Digitale Kommunikation: Echtzeitinformation über Verspätungen, Verkehrsprobleme oder Änderungen im Ladeplan ermöglicht proaktive Anpassungen. Verlader und Entladestelle können sich vorbereiten, Zeitfenster anpassen oder alternative Rampen freimachen.

Klare vertragliche Vereinbarungen: Eindeutige Regelungen zu angemessenen Lade- und Entladezeiten, Standgeld und Verantwortlichkeiten schaffen Klarheit für alle Beteiligten und incentivieren effiziente Prozesse.

Infrastrukturinvestitionen: Ausreichend Rampen, moderne Ladetechnik und Warteflächen für Lkws sind Grundvoraussetzungen für flüssige Prozesse. Diese Investitionen amortisieren sich schnell durch eingesparte Standgelder und verbesserte Lieferperformance.

Digitale Lösungen für effizientes Zeitmanagement

Moderne Softwarelösungen spielen eine Schlüsselrolle bei der Optimierung von Standzeiten. PTV OptiFlow unterstützt bei der vorausschauenden Tourenplanung unter Berücksichtigung von Zeitfenstern, Lade- und Entladezeiten sowie gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten. Die Software berechnet realistische Fahrzeiten, plant notwendige Pausen ein und optimiert die Abfolge der Stopps, um Wartezeiten zu minimieren.

Fazit: Standzeiten als Optimierungspotenzial

Standzeiten sind einer der größten Kostentreiber in der Transportlogistik, aber gleichzeitig auch eines der größten Optimierungspotenziale. Durch professionelles Zeitfenstermanagement, effiziente Prozesse und den Einsatz moderner digitaler Lösungen lassen sich Wartezeiten drastisch reduzieren. Dies senkt nicht nur Kosten durch Standgeld und Ausfallzeiten, sondern verbessert auch die Planbarkeit, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und die Zufriedenheit von Fahrer:innen und Kund:innen. Unternehmen, die Standzeiten konsequent minimieren, sichern sich entscheidende Wettbewerbsvorteile in einem zunehmend dynamischen Markt.